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Verfahrenseröffnung der Europäischen Kommission über die deutsche EEG-Umlage

Die Europäische Kommission hat heute das Verfahren darüber eröffnet, ob die Freistellungen von der EEG-Umlage EU-rechtswidrige Beihilfen enthalten. In Deutschland sind rund 2.300 Unternehmen betroffen, vor allem aus stromintensiven Bereichen, wie Stahl, Chemie oder Automobilbau. Die Freistellungen betreffen nach Presseschätzungen ein Volumen von mehr als EUR 5 Milliarden. Die Verfahrenseröffnung führt zu großer Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt Beihilfen vorliegen. Auch die Möglichkeiten einer Freistellung durch die Kommission sowie die Modalitäten einer eventuellen Rückführung von Beihilfen sind unsicher. Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von vor wenigen Wochen, die einer Verfahrenseröffnung durch die Kommission weitreichende Bedeutung beimisst, drohen Zusatzrisiken. Politisch ist das Verfahren aber so hoch aufgehängt, dass ein Kompromiss in den nächsten Monaten wahrscheinlich erscheint. 

Nach europäischem Recht sind Beihilfen alle wirtschaftlichen Vorteile, die der Staat aus eigenen Mitteln bestimmten Unternehmen gewährt. Diese Vorteile können auch in der Befreiung von sonst allgemein zu zahlenden Abgaben oder Steuern liegen.  

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht keine direkten staatlichen Zuwendungen (Subventionen) an die Erzeuger erneuerbarer Energien vor, sondern verteilt die Lasten direkt in einem Umlageverfahren zwischen Erzeugern und Netzbetreibern. Die Erzeuger erhalten von den Netzbetreibern eine staatlich garantierte Einspeisevergütung, die über den Strommarktpreisen liegt. Die aus dieser Vergütung resultierenden Mehrkosten reichen die Netzbetreiber an vier sogenannte Übertragungsnetzbetreiber im Bundesgebiet weiter. Zwischen den Übertragungsnetzbetreibern findet bundesweit ein Ausgleich statt. Die Mehrkosten machen die Übertragungsnetzbetreiber über die EEG-Umlage bei den Stromversorgern geltend, die diese an ihre Kunden weitergeben. Seit 2003 sind besonders stromintensive Unternehmen – also zum Beispiel Stahl, Chemie, Baustoff- oder Kfz-Unternehmen – bei der automatischen Weiterwälzung der Zusatzkosten privilegiert. Die EEG-Umlage ist für diese Abnehmer begrenzt und dadurch signifikant reduziert, Die wesentlichen Kosten des Systems tragen somit die Endverbraucher. Den Anstoß zum Kommissionsverfahren gab denn auch eine Beschwerde des deutschen Bund der Energieverbraucher aus dem Dezember 2011. 

Kernfrage: Tangiert ein reines Umlagesystem Staatsmittel?

Die rechtlich stark umstrittene Kernfrage ist, ob das deutsche Umlagesystem überhaupt den Einsatz staatlicher Mittel vorsieht, der als Beihilfe angesehen werden könnte. Das von deutscher Seite vorgebrachte Argument lautet, dass bei einem reinen Umlagesystem letztlich nur die Lasten zwischen verschiedenen privaten Unternehmen und Beteiligten verteilt werden, ohne dass in irgendeiner Weise staatliche Mittel eingesetzt werden. Die deutsche Seite fühlt sich aufgrund der sogenannten PreussenElektra Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2001 (C-379/98) zu der gesetzlichen Vorgängerregelung sicher. Das damalige Gesetz sah bereits vor, dass die Netzgesellschaften den Erzeugern von erneuerbarer Energie staatlich festgesetzte Mindestentgelte für den Strom zahlen mussten. Der Europäische Gerichtshof entschied damals, dass mangels des Einsatzes von Staatsmitteln keine Beihilfe gegeben war, so dass das System nicht zu beanstanden war.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission hat sich der Sachverhalt durch die neuen Regelungen in Deutschland aber nunmehr verändert. Insbesondere sieht die Kommission in den Übertragungsnetzbetreibern, die letztlich die Kosten verteilen, staatlich betraute Einrichtungen, die eine öffentliche Funktion ausüben. Insoweit ist es nach Auffassung der Kommission unerheblich, dass keine staatlichen Gelder fließen.  

Die Kommission sieht sich dabei durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2008 bestärkt (Essent C-206/06). Dort hat der EuGH den gesetzlichen Tarifaufschlag in den Niederlanden als Beihilfe angesehen, da er von einer staatlich betrauten Einrichtung verwaltet und für öffentliche Zwecke gedacht war. Allerdings sah das dortige System vor, dass überschüssige Beträge in den Staatshaushalt fließen. Ein Verfahren über das französische Umlagesystem bei Windkraftanlagen, das dem deutschen sehr ähnlich ist, ist derzeit beim EuGH anhängig. Im Juli 2013 hat der Generalanwalt das Vorliegen von Beihilfen bejaht (Association Vent de Colère, C-262/12).

Die deutsche Seite hält der Kommission entgegen, dass das deutsche System keinerlei staatliche Kontrolle vorsieht und staatliche Haushalte weder direkt noch indirekt tangiert sind. 

Letztlich geht der Streit somit um ein rein technisches Merkmal des Beihilfenbegriffs. Die Frage, ob die umfangreichen Befreiungen in Deutschland mit dem Beihilfenrecht vereinbar sind, ist dabei nicht entschieden. Mit dieser Frage kann die Kommission sich überhaupt erst dann auseinandersetzen, wenn feststeht, dass auch eine Beihilfe vorliegt. Mit der Verfahrenseröffnung bringt sie zum Ausdruck, dass sie sich im Recht sieht, in eine vertiefte Prüfung der Befreiungspraxis einzusteigen.

Wenn beide Seiten auf ihren Standpunkten beharren, muss letztlich der Europäische Gerichtshof wie schon im Fall PreussenElektra entscheiden. Eigentlich müsste die deutsche Seite dabei aufgrund des eindeutigen Präzedenzurteils leicht im Vorteil sein. Der EuGH entscheidet aber oft auch politisch. Zu Zeiten von PreussenElektra waren die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ökostromförderung noch überschaubar. Dies hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Insbesondere die Ausnahmen führen zu erheblichen Verschiebungen von Belastungen unter Unternehmen. Auch wegen der erheblichen Präzedenzwirkung auf die Ökoförderung in anderen Mitgliedstaaten könnte der EuGH durchaus versucht sein, das deutsche Umlagesystem nicht völlig der europäischen Beihilfekontrolle zu entziehen.

Wie geht es weiter?

Im Eröffnungsbeschluss bringt die Kommission ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck, dass das EEG-Umlagesystem Beihilfen beinhaltet. Ziel des sich jetzt anschließenden Verfahrens ist es, diese Auffassung zu überprüfen und abzuwägen, inwieweit die Kommission die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklären kann.

Zweck des eingehenden Prüfverfahrens ist es vor allem, anderen Mitgliedstaaten und betroffenen Dritten (dieser Begriff schließt die potentiellen Beihilfenempfänger ein) die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Frist beträgt dazu einen Monat. Das Verfahren selbst ist allerdings zeitlich nicht begrenzt. Die Kommission strebt an, Verfahren spätestens innerhalb von 18 Monaten nach Eröffnung zu beenden (Artikel 7 Abs. 6 VO 659/99). Diese Frist ist nicht bindend. Die Kommission kann sich somit viel Zeit lassen, wenn sich die deutsche Seite nicht flexibel zeigt.

Bei der Vereinbarkeitserklärung hat die Kommission ein weitreichendes Ermessen. Im Eröffnungsbeschluss hält sich die Kommission bedeckt und fragt nur nach dem EU-Gemeinschaftsinteresse, das durch die Befreiung befördert werden soll. Die Kommission fordert Deutschland auch auf nachzuweisen, dass die Befreiung zweckmäßig und angemessen ist. Flexibilität zeigt die Kommission im Hinblick auf die Wirkungen der „Beihilfen“ zugunsten der Ökostromerzeuger. Diese erklärt sie mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar.

Es ist Spekulation, wie es mit der Vereinbarkeitserklärung der Befreiungen weitergehen wird. Denkbar ist, dass im vertieften Prüfverfahren ein Kompromiss derart gefunden wird, dass nur bestimmte Intensivnutzer Mengenrabatte bei den Umlagen erhalten. Wahrscheinlich wird es notwendig sein, den sehr weit gefassten Kreis der Berechtigten einzugrenzen. Der deutschen Seite ist bewusst, dass – wenn eine Beihilfe vorliegt – eine weitreichende Überarbeitung des EEG notwendig ist.

Bereinigung für die Vergangenheit: Rückstellung erforderlich?

Im Fokus der öffentlichen Diskussion steht derzeit die Frage, wie mit den Befreiungen in der Vergangenheit zu verfahren ist. Grundsätzlich gilt, dass rechtswidrige Beihilfen mit Zinsen zurückzuzahlen sind. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre. In strittigen Fällen kann die Kommission für die Vergangenheit Vertrauensschutz einräumen (hier vielleicht bis Anfang 2012). 

Der Beihilfenbetrag ist an die öffentliche Stelle zurückzuzahlen, die die Beihilfe gewährt hat. Bei einem reinen Umlagesystem unter privaten Parteien führt die Rückführung der Beihilfe zu komplexen Fragestellungen. Wenn man eine rechtswidrige Beihilfe unterstellt, müssten die befreiten Unternehmen die Beträge in das Umlagesystem zurückführen, die ihnen durch die Befreiung erspart wurden. Ob sich dann dadurch die Gesamtkosten für die am Umlagesystem beteiligten Unternehmen – einschließlich der zu Unrecht Befreiten – reduzieren oder die Überschüsse an den Verbraucher weiterzugeben sind, ist eine offene – vom Beihilfenrecht – nicht geregelte Frage. Insoweit sind Stimmen in der Presse, die Kommission interveniere „zugunsten der deutschen Verbraucher“, verfrüht.

Nach der Eröffnungsentscheidung stellt sich für die betroffenen Unternehmen die Frage, ob Rückstellungen für eventuelle Rückzahlungen von Freistellungsbeträgen gebildet werden müssen. In der Praxis verfahren Unternehmen und ihre Wirtschaftsprüfer bei Eröffnungsentscheidungen der Kommission unterschiedlich. Bei Konstellationen mit klarer Rechtslage und klar definierbaren Rückzahlungsbeträgen wird eine Rückstellung zwingend notwendig sein. Im Fall der Befreiung von EEG-Umlagen sind die Dinge aber nicht so klar. Bereits die Einstufung als Beihilfe ist nicht sicher, genauso wenig wie Aussichten auf eine Vereinbarkeitserklärung und die Frage, wie eine Rückabwicklung im Einzelfall erfolgen soll. 

Künftige Befreiung; Risiko von Wettbewerberklagen

Im Vorfeld der Eröffnungsentscheidung war diskutiert worden, wie sich befreite Unternehmen künftig im Hinblick auf die Befreiung verhalten können. Mit dem Eröffnungsbeschluss steht nunmehr vorläufig fest, dass die Befreiungen als Beihilfen zu betrachten sind. 

Der Europäische Gerichtshof hat jüngst erst in einer Entscheidung (C-284/12 vom 21. 11. 2013) über eine Klage von Lufthansa gegen die angebliche Subventionierung von Ryanair am Flughafen Frankfurt/Hahn festgestellt, dass nationale Gerichte die Eröffnungsentscheidungen der Kommission im Kern nicht in Frage stellen dürfen. Stuft die Kommission eine Maßnahme als Beihilfe ein, so muss dem das nationale Gericht jedenfalls so lange folgen, bis die Kommission eine endgültige Entscheidung gefällt hat. Diese Entscheidung hat das Risiko für potentielle Beihilfenempfänger erheblich erhöht. Insbesondere eröffnet es den Weg für Wettbewerber, gegen die Befreiung vor nationalen Gerichten zu klagen. Das nationale Gericht müsste dann der vorläufigen Kommissionsauffassung folgen und die Befreiung – jedenfalls vorläufig - kassieren. 

Sofern keine Wettbewerberklagen erhoben werden, hängt alles davon ab, wie sich die am deutschen Umlageverfahren Beteiligten verhalten werden. Der Ball liegt hier vor allem beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), dass die Voraussetzungen für die Herabsetzung der EEG-Umlage beim einzelnen Unternehmen feststellt (nach § 41 EEG). Die Begrenzungsentscheidung gilt immer nur für ein Jahr (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EEG).

Wird die Entscheidung in Sachen Lufthansa ernst genommen, so kann das BAFA künftig Begrenzungsentscheidungen nur mit der Maßgabe fällen, dass sichergestellt wird, dass das betroffene Unternehmen im Falle einer Negativentscheidung der Kommission die Beihilfe zurückgewähren kann. Im Einzelnen sind hier durchaus sehr differenzierte Ausgestaltungen möglich, die auf die Situation des einzelnen Unternehmens zugeschnitten sein müssen. 

Fazit

Die Eröffnung des Prüfverfahrens beruht auf einer rechtlich spekulativen Ausdehnung des Beihilfenbegriffs. Die deutsche Seite hat zwar gute rechtliche Argumente, wird sich aber aufgrund der möglichen Zeitschiene kaum auf ein langes Verfahren mit dem Gang zum EuGH einlassen. Die Eröffnungsentscheidung lässt einen Kompromiss (Vereinbarkeitserklärung) innerhalb absehbarer Zeit zu.

Für die betroffenen Unternehmen bedeutet die Eröffnung zunächst, dass die Herabsetzung der EEG-Umlage als vorläufig rechtswidrig zu betrachten ist. Ob Rückstellungen für die Herabsetzung in der Vergangenheit zu bilden sind, ist eine Frage der kaufmännischen Bewertung im Einzelfall.

Für die Herabsetzung in der Zukunft kommt es darauf an, ob das betroffene Unternehmen bereits einen Bescheid seitens der BAFA erhalten hat. Für künftige Bescheide lassen sich Lösungen im Einzelfall finden, die auch mit der neuesten EuGH-Rechtsprechung übereinstimmen.

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