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Die neue Bundesregierung und ihre beabsichtigten Steuerrechtsänderungen

Die neue Bundesregierung ist seit dem 28. Oktober 2009 im Amt und hat in ihrem Koalitionsvertrag die Ziele und Eckpunkte ihrer zukünftigen Steuerpolitik abgesteckt. Im Kern werden steuerliche Sofort­programme zur Krisenentschärfung für Unternehmen und Banken, Änderungen bei der 2008 eingeführten Unternehmens­steuerreform sowie eine Einkommen­steuerentlastung in Aussicht gestellt. Die geplanten Maßnahmen sollen sich zum 1. Januar 2010 auf ein Gesamtvolumen von rund 21 Mrd. Euro belaufen. 

Die aufgezeigten Änderungsvorhaben zielen auf eine Linderung der steuerlichen Belastungen im Unternehmensbereich und bei den Bürgern ab. Diese Änderungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zur Umsetzung der kurzfristigen Änderungen hat das Kabinett bereits das Gesetz­gebungsverfahren mit dem “Wachstums­beschleunigungs­gesetz“ auf den Weg gebracht.

Nachfolgend möchten wir Ihnen eine Übersicht über die wichtigsten geplanten Änderungen in den einzelnen Steuer­bereichen geben. Am Ende des Newsletters finden Sie auch noch einen wichtigen Hinweis zum Nichtinkrafttreten des Verlustnutzungsprivilegs (§ 8c Abs. 2 KStG) für Venture Capital Gesellschaften. 

Kurzfristige Ziele für die Unternehmensbesteuerung

Die Koalition will mit Hilfe des Sofortprogramms den Unternehmen und Banken in der Krise helfen und steuerliche Wachstumshemmnisse beseitigen. Die Umsetzung des Programms soll laut Koalitionsvertrag und dem aktuellen Gesetzesvorhaben zum 1. Januar 2010 wirksam werden. Als Kernpunkte sollen die Verlust - und Zinsabzugsbeschränk­ungen sowohl für internationale Konzerne als auch für mittelständische Unternehmen entschärft werden. Im Einzelnen bestehen die Vorhaben darin:

bei den Verlustabzugsbeschränkungen
  • bei Anteilsübertragungen die bestehende zeitliche Beschränkung bei der Sanierungsklausel zur Verlustnutzung zu beseitigen,
  • einen Verlustabzug  bei Um­strukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen - soweit erforderlich – wieder zuzulassen (“Konzernklausel“), und
  • als Neuerung, den Verlust­übergang in Höhe der stillen Reserven zuzulassen;

bei den Zinsabzugsbeschränkungen (“Zinsschranke“):

  • die nur noch 2009 geltende höhere Freigrenze von 3 Mio. Euro dauerhaft einzuführen, 
  • die “unselige“ Eigenkapital - “Escape-Klausel“ für Konzerne zu überarbeiten und anwendbar zu machen, und
  • als neue Regelung, einen EBITDA-Vortrag rückwirkend ab dem Jahr 2007 für einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren einzuführen, um auch bei Konjunktur­schwankungen den Zinsabzug für die Unternehmen planbar zu machen; sowie  

bei den grenzüberschreitenden Leistungs­beziehungen:

  • so schnell wie möglich die negativen Auswirkungen der Neuregelung zur Funktionsverlagerung auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland zu beseitigen.

Weitere wichtige Änderungen in diesem Bereich beinhalten:

  • die Wiedereinführung des Wahlrechts zur Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter bis 410 Euro oder, als Neuerung, die Poolabschreibung für alle Wirtschaftsgüter zwischen 150 und 1.000 Euro,
  • eine Erweiterung der Mög­lichkeiten der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Die Mitarbeiter sollen in Zukunft auch durch Entgelt­umwandlung Anteile an ihren Unter­nehmen steuerbegünstigt erwerben können.

Des Weiteren hat sich die Regierung zur Erhöhung der Planungssicherheit auf Seiten der Unternehmen und der Finanzverwaltung wieder einmal dem Gedanken der zeitnahen Betriebsprüfung verpflichtet. Nach ihrer Vorstellung sollen Betriebsprüfungen generell innerhalb von fünf Jahren nach Beginn bzw. dann abgeschlossen sein, wenn die neue Betriebsprüfung beginnt. Ob dieses Vorhaben in der Verwaltungspraxis durch­führbar ist, bleibt abzuwarten.

Weiterhin wird überprüft, die Gebühren­pflicht für die verbindliche Auskunft auf wesentliche und aufwändige Fälle zu beschränken. Außerdem steht eine Überprüfung des Kontenabrufverfahrens bei den Kapitaleinkünften bevor. 

Im Bereich der Gewerbesteuer soll das angekündigte Sofortprogramm eine Reduzierung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Immobilienmiet­zahlungen von derzeit 65 % auf 50 % beinhalten. Angestrebt ist auch hier eine Änderung zum 1. Januar 2010. Der reduzierte Betrag würde zwar bei weitem nicht die von der Immobilienwirtschaft geforderte Gleichbehandlung mit den Mobilienmieten bzw. – leasingzahlungen bedeuten. Er gäbe aber zunächst einmal eine 15 %ige Entlastung in diesem wichtigen Investmentbereich. 

Mittelfristige Ziele für die Unternehmensbesteuerung

Es ist weiterhin das erklärte Ziel der neuen Bundesregierung, mit ihrer Steuerpolitik den Standort Deutschland zu stärken. Neben dem Sofortprogramm soll das Unternehmenssteuerrecht weiter modernisiert und international wettbe­werbsfähig gemacht werden.

Erfreulicherweise beabsichtigt sie auch, den Holdingstandort Deutschland weiter zu stärken. Die bedeutenden Neuerungen, die einer Prüfung unterzogen werden, sind u. a.:

  • eine Neuregelung der Verlustver­rechnung,
  • die grenzüberschreitende Be­steuerung von Unternehmenserträgen,
  • die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems (“Group Relief“) anstelle der bisherigen nur nationalen Organschaftsregelung, und
  • die Problematik der zweifachen Besteuerung von Unternehmenserträgen auf der Ebene der Unternehmen und den Anteilseignern einerseits und der nur einfachen Besteuerung der Erträge aus risikoarmen Zinsprodukten andererseits.

Die Bundesregierung stellt sich damit den steuerlichen Herausforderungen in unserer wirtschaftlich globalen Zeit. Die vorgetragenen Vorhaben, insbesondere zum “Group Relief“, tragen der International­isierung des Steuerrechts Rechnung. Es bleibt abzuwarten, ob und wann diese Vorhaben umgesetzt werden. 

Weiterhin soll ein erneuter Vorstoß zur längst überfälligen Abschaffung der Gewerbesteuer durch eine Prüfung der Neuordnung der Gemeindefinanzierung erfolgen. Die Vorstellungen der neuen Regierung laufen darauf hinaus, dass der Ausgleich durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz herbeigeführt werden soll. Abzuwarten ist, ob ein solches Zuschlagsverfahren in der Praxis effektiv auszugestalten ist und die Gemeinden ein solches Verfahren überhaupt mittragen werden. 

Bei der Grunderwerbsteuer soll eine Konzernklausel die Umstrukturierung von Unternehmen erleichtern.

Geplante Änderungen bei der Einkommensteuer  

Das Motto der Bundesregierung besteht hier in einem “mehr Netto vom Brutto“. 

Erreicht werden soll dieses Ziel u. a. durch:

  • eine Erhöhung des Kinderfreibetrags in einem ersten Schritt zum 1. Januar 2010 auf 7.008 Euro und des Kindergelds um 20 Euro pro Kind,
  • den Umbau des Einkommen­steuertarifs zu einem Stufentarif, um der gegenwärtigen kalten Progression ent­gegenzuwirken. Der Tarif soll zum 1. Januar 2011 in Kraft treten,
  • die Wiedereinführung des steuerlichen Abzugs privater Steuerberatungskosten,
  • eine Überprüfung der Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung betrieblicher Fahrzeuge (“1 % Regelung“), und
  • die erweiterte Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge.

Dabei soll eine steuerliche Entlastung insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensbereiche sowie für Familien mit Kindern in einem Gesamtvolumen von 24 Mrd. Euro im Laufe der Legislaturperiode umgesetzt werden. 

Erbschaftsteuer: Die notwendige Reform der Reform 

Besonders die Neuregelungen und Erfordernisse zur steuerfreien Unter­nehmensnachfolge bei Weiterführung des Unternehmens stellt die Praxis und die Betroffenen vor zum Teil unlösbare Probleme. Die Einhaltung der Lohnsummen, die Fortführungsfristen der Unternehmen oder der unschädliche Austausch von Betriebsvermögen sind u. E. nicht haltbar und werden auch von der Koalition der Überprüfung unterworfen. Es wird geplant, die Erbschaftsteuer zu entbürokratisieren sowie planungssicherer und mittelstandsfreundlicher zu gestalten.

Ziel ist es:

  • die Bedingungen für die Unternehmensnachfolge krisenfest auszugestalten,
  • Zeiträume für die Weiterführung des Unternehmens zu verkürzen, und
  • die erforderlichen Lohnsummen abzusenken.
  • Außerdem soll mit den Ländern geprüft werden, ob die Erbschaftsteuer hinsichtlich der Steuersätze und Frei­beträge regionalisiert werden könnte.

Umsatzsteuer  

Im Bereich der Umsatzsteuer will die neue Bundesregierung vor allem den Steuer­betrug bekämpfen. Überlegt wird dabei, eine Umstellung auf die Ist-Besteuerung sowohl auf Seiten des Leistungserbringers und – empfängers vorzunehmen.

Daneben wird Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen ge­sehen. Hier sind wohl für einige Tatbestände Erhöhungen zu erwarten. Für das Hotelgewerbe wird dagegen eine Her­absetzung auf 7% anvisiert.

Kein Verlustnutzungsprivileg bei Wagniskapitalgesellschaften

Nach der am 30. September 2009 ge­troffenen Entscheidung der EU-Kommission tritt das mit dem MoRaKG eingeführte Verlustnutzungsprivileg des § 8c Abs. 2 KStG für Venture Capital Gesellschaften nicht in Kraft. Die Kommission sieht die Regelung als eine mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Beihilfe an. Zu beachten ist, dass kein Vertrauensschutz für bereits erfolgte Erwerbe besteht. Eine Gestaltungsbe­ratung ist daher dringend anzuraten.

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